Kulturdiskurs im Theater

300 Zuhörer_innen nahmen das Foyer des Stadttheaters trotz frühlingshaften Wetters bis auf den letzten Stehplatz in Beschlag. Die Veranstaltung endet nach knapp zweieinhalb Stunden ohne Verlierer, aber mit sehr vielen Gewinnern.
von Jürgen Kannler

Im letzten Herbst haben sich einige Dutzend Mitglieder der Gremien Kulturrat, Kulturbeirat und Kulturnetzwerk als STÄNDIGE KONFERENZ zusammen geschlossen, um unter dem Motto »Wir müssen die Kulturpolitik verändern, um in Augsburg der Kultur und der Kreativwirtschaft gerecht zu werden!« ihre Stimmen vor der Kommunalwahl am 16. März 2014 zu bündeln.

Das erste größere Ergebnis dieser Kooperation auf Zeit war die Diskussion mit allen OB-Kandidaten am 22. Februar, für die das Theater Augsburg Platz, Manpower und Infrastruktur zur Verfügung stellte. Seit Wochen hatten Kreative aller Szenen den Nachmittag im Detail vorbereitet. An der letzten Planungsrunde waren im Wesentlichen Buchhändler Kurt Idrizovic, Slammaster Horst Thieme, Journalist Sigi Zagler und der Autor dieses Beitrags selbst beteiligt. Die drei zuletzt Genannten moderierten die Diskussion auch.
Im Gegensatz zu vielen anderen Themen, die im Wahlkampf eine Rolle spielen, lässt sich die Kultur nicht so ohne Weiteres auf eine Handvoll Schwerpunkte reduzieren. Die Szenen sind breit aufgestellt und einzelne Themen durch so viel Herzblut belebt, dass man mindestens vier solcher Termine anberaumen müsste, um wenigstens die meisten Protagonisten und ihre allesamt wichtigen Themen angemessen zu berücksichtigen. Im schmerzenden Bewusstsein, das nicht leisten zu können, haben wir den Kulturdiskurs trotzdem gewagt.
Den größten Nutzen aus diesem Nachmittag konnten die anwesenden OB-Kandidaten ziehen. Zumindest einige von ihnen waren sichtlich beeindruckt, wie erfolgreich die Einladung zum Kulturdiskurs auch an einem frühlingshaften Samstagnachmittag mobilisierte. Keine ihrer Parteien räumt dem Thema Kultur in den bisherigen Kampagnenverläufen wirkliche Priorität ein. Mit Kultur gewinnt man eben keine Wahlen, meinen sie, doch man kann sie damit sehr wohl entscheiden. Leider konnten wir der Polit-WG, der einzigen Wählergruppe, die das Thema Kultur zentral besetzt, keinen Platz in der Runde anbieten. Die Polit-WG tritt nämlich ebenso wie die CSM ohne eigenen OB-Kandidaten an.
Die knapp zweieinhalb Stunden laufende Diskussion verlief zeitlich nahezu parallel zum Auswärtsspiel des FCA in Freiburg. An- und Abmoderation sowie die Blöcke mit den Publikumsfragen meisterte Horst Thieme mit der von ihm gewohnten Routine. Zwischen den beiden Runden mit Einzelfragen, die der Autor vortragen durfte, führte DAZ-Kollege Sigi Zagler ein längeres Kandidatengespräch mit dem Schwerpunkt Theatersanierung. Wie im Freiburger Stadion gab es auch im Theaterfoyer spannende Höhepunkte, kurze Durchhänger, einige Lacher und auch ein wenig Empörung. So merkte der geschätzte CSM-Mann Dimitrios Tsantilas an, der Autor gehe mit den beiden Kandidaten von der Regierung nicht ganz fair um. Aber so ist das nun einmal: Wer am Drücker ist, muss sich dann und wann auch an dem messen lassen, was er zuletzt geleistet hat, und nicht nur daran, was in seinem Wahlprogramm steht. Dieses Privileg gebührt der Opposition. Und so hört, wer will, Tendenzen aus einer Fragestellung heraus, die bei genauem Hinhören das Ergebnis von Recherche sind.
Wie dem auch sei, sowohl OB Gribl als auch Bürgermeister Grab haben die wenigen verschärften Fragerunden als Kandidaten gut gemeistert, und dass sich der Autor mit Peter Grab nicht auf ein Zahlenduell eingelassen hat, wird jeder verstehen, der den Kulturreferenten in den letzten Jahren in seinem Ausschuss erleben durfte. Und am Schluss des OB-Kulturdiskurses? Da hat natürlich Augsburg gewonnen, genauso wie in Freiburg.

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97 Antworten auf 17 Fragen
Eine Zusammenstellung einiger wesentlicher Fragen und Antworten in Stichworten. von Patrick Bellgardt

Ja/Nein-Fragen an alle Kandidaten
// »Der Etat für freie Projektförderung von Kulturamtsleiter Thomas Weitzel belief sich 2013 auf 26.400 Euro. Was meinen Sie, reicht das aus?«
»Ja«: Peter Grab, »Nein«: Reiner Erben, Stefan Kiefer, Volker Schafitel, Alexander Süßmair, Kurt Gribl, Markus Arnold, Thomas Lis, Christian Pettinger
// »Setzen Sie sich für eine transparente Vergabepraxis der Mittel für Kulturprojekte und Kultureinrichtungen ein?«
»Ja«: Reiner Erben, Stefan Kiefer, Volker Schafitel, Alexander Süßmair, Peter Grab Kurt Gribl, Markus Arnold, Thomas Lis, Christian Pettinger
// »Werden Sie die Stelle des Kulturreferenten ausschreiben?«
»Ja«: Reiner Erben, Volker Schafitel, Alexander Süßmair, Markus Arnold, Thomas Lis, Christian Pettinger, Keine Antwort bzw. weiterer Erklärungsbedarf: Stefan Kiefer, Peter Grab, Kurt Gribl
// »Politik hat nicht die Aufgabe, Kultur zu planen. Sehen Sie das auch so?«
»Ja«: Thomas Lis, »Nein«: Reiner Erben, Keine Antwort bzw. weiterer Erklärungsbedarf: Stefan Kiefer, Volker Schafitel, Alexander Süßmair, Peter Grab, Kurt Gribl, Markus Arnold, Christian Pettinger
// »Werden Sie sich für eine verstärkte Wahrnehmung zeitgenössischer Kunst in Augsburg einsetzten?«
»Ja«: Reiner Erben, Stefan Kiefer, Volker Schafitel, Alexander Süßmair, Peter Grab Kurt Gribl, Markus Arnold, Thomas Lis, Christian Pettinger
// »Stehen Sie zu einem Stadttheater mit den Sparten Ballett, Schauspiel, Musiktheater und Philharmonie?«
»Ja«: Reiner Erben, Stefan Kiefer, Volker Schafitel, Alexander Süßmair, Peter Grab, Kurt Gribl, Markus Arnold, Thomas Lis, Christian Pettinger, Keine Antwort bzw. weiterer Erklärungsbedarf: Volker Schafitel
// »Erkennen Sie die Notwendigkeit an, vor der Generalsanierung des Stadttheaters dessen Funktion und Aufgaben zu hinterfragen und ggf. neu zu ordnen?«
»Ja«: Reiner Erben, Stefan Kiefer, Volker Schafitel, Alexander Süßmair, Peter Grab, Thomas Lis, Christian Pettinger, Keine Antwort bzw. weiterer Erklärungsbedarf: Kurt Gribl, »Nein«: Markus Arnold

Fragen an einen oder mehrere Kandidaten
// »Wie sichern Sie Transparenz bei der Vergabe von Projektmitteln?«
Grab: Transparenz ist schon jetzt gegeben. Antragsablehnungen wegen fehlendem Geld gab es nicht
// »Weiterhin Projektförderung, ohne Möglichkeit dafür einen Antrag zu stellen, über OB-Referat?«
Gribl: Die Annahme unzutreffend, gibt kein Fördertopf beim OB-Referat. Unterstützung lief über das Stadtmarketing als Sponsoring
// »Brauchen wir ein Kulturreferat?«
Erben: Ja, jedoch hatten wir eine Zusammenpressung von Kultur und Sport. Anhand des Beispiels kuspo wird deutlich, dass diese Bereiche nicht zusammenpassen
Kiefer: Eigenständiges Kulturreferat mit Vertrauen der Szene ohne Sport und ohne kuspo
Schafitel: Es reichen wenige Referate, solange die Köpfe stimmen. Die Qualität ist entscheidend
Süßmair: Kulturreferat ohne Sport. Ein Bildungs- und Sportreferat mit vernünftigem Budget ist vorstellbar
Arnold: Kultur braucht eine große Anlaufstelle. Kultur und Sport gehört nicht zusammen
Lis: Kultur alleine ohne Sport. Insbesondere bei den kommenden Aufgaben wie Gaswerk und Theatersanierung ist das wichtig
Pettinger: Kulturpolitik ist die bessere Wirtschaftspolitik
// »Brauchen Kreative Planungssicherheit?«
Gribl: Planungssicherheit bei wiederkehrenden Formaten ist gegeben. Kulturentwicklungskonzept mit Finanzierungsinstrumenten fehlt
// »Welche Ideen haben Sie zum Thema Römermuseum?«
Lis: Brauchen wir ein Römermuseum? Viele merken nicht, dass es geschlossen ist. Nicht per se dagegen, Konzept und Finanzierung muss stimmen
Arnold: Vermisse das Römermuseum. Als älteste Stadt Bayerns muss eine solche Einrichtung drin sein. Gelder vom Freistaat: tim hat es vorgemacht
Süßmair: Erbe muss vernünftig präsentiert werden. Dritte Idee neben Dominikanergasse und Pfannenstiel: Römischer Garten bei JVA
Schafitel: Römermuseum in größerer Form in der Dominikanergasse. Expertengremium sagt: 4.000 bis 5.000 Quadratmeter
Kiefer: Große Chance für einen archäologischen Park und ein Museum am Pfannenstiel
// »Gaswerk: Wie groß ist der Spielraum für die Mieter des Kulturparks West?«
Gribl: Gehe davon aus, dass der Kupa schrittweise umziehen kann, bekommt auf neuem Gelände Entwicklungspotential
Kiefer: Kreativität braucht Nährboden und lässt sich nicht einfach umpflanzen. Der Gaskessel mag Chancen haben, verlässliche Zahlen fehlen bislang. Künstler müssen gehört werden. Verträge können geändert werden. Kosten des Erhalts wären geringer als die eines Umzugs
// »Wie fördern Sie die Kreativwirtschaft?«
Gribl: Erkenntnis hat sich gefestigt, dass die Kreativwirtschaft ein Riesenpotential hat
Arnold: Kreative brauchen Freiheit und Unterstützung
Pettinger: Die Kleinen müssen gefördert werden
Süßmair: Kupa darf nicht verschwinden, ist historisch gewachsen, jedoch Gefahr von Gentrifizierung im Auge behalten
// »Renaissance 2.0: Warum wurde das Konzept nicht umgesetzt?«
Gribl: Keine Gelder hierfür vorhanden in der Stadtentwicklung, will keine Parallelvorgänge
// »Wie geht es mit der Dachmarke Mozart weiter?«
Kiefer: Stadt muss das Thema als Dachmarke in der Hand halten. Federführung und Rahmengebung muss seitens der Stadt erfolgen
Gribl: Man muss die Protagonisten aber auch vor die Erkenntnis führen, dass nicht jedes Format gefördert werden kann
Erben: Mozart in Augsburg hat hauptsächlich mit Leopold Mozart zu tun, Stadt muss festlegen, warum er für die Stadt wichtig ist, da kann es nicht nur um Festivals mit Namedropping gehen, es muss auch deutlich werden, warum wir etwas fördern
// »Welches Kulturthema packen Sie als erstes an?«
Reiner Erben: Halle 116, Alexander Süßmair: Sozialpass, Kurt Gribl: Kulturentwicklungskonzept, Markus Arnold: Sponsoring, Thomas Lis: Strukturen, Christian Pettinger: Kresslesmühle, Peter Grab, Stefan Kiefer und Volker Schafitel: Römer